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Der Anfang von Allem

Geburt der Kräfte

Im Anfang ist das Nichts. Kein Raum. Keine Zeit. Keine Materie. Keine uns bekannten Naturgesetze. Ein Zustand maximaler Ordnung, in der eine Urkraft, unbeschreiblich dicht und heiß, in einer dimensionslosen Keimzelle schlummert. Niemand auf unserem Planeten wird je wissen, was diese unbeschreibliche Kraftquelle umgibt und woher sie kommt. Alles, was vor Beginn der Zeit war, liegt hinter einer Wand, die wir nie werden durchdringen können. Für uns ist nur unsere Welt vorstellbar – unsere Welt aber gibt es noch nicht.


Ein trichterförmiges Bild, das die Entwicklung des Universums seit dem Urknall vor einem schwarzen Hintergrund darstellt
Fast 14 Milliarden Jahre in einem Bild: Die Evolution des Universums

Dennoch ist das Universum in dem unmerklichen Punkt bereits angelegt. Der stürmische Aufbruch zur langen kosmischen Reise beginnt vor knapp 13,8 Milliarden Jahren. In den ersten Minuten nach dem Urknall, der weder Blitz noch Donner kennt, und sich in vollkommener Dunkelheit vollzieht, überschlagen sich die Ereignisse; die rätselhafte Urkraft beginnt ihre Schwingen auszubreiten. Nach 10^-43 Sekunden sind Zeit und Raum entstanden – die Bühne auf der die Physik auftreten kann, ist bereitet.


Nach 10^-35 Sekunden löst sich eine erste Grundkraft, die Gravitation, von der Urkraft. Der Raum dehnt sich mit rasender Geschwindigkeit aus, Temperatur und Dichte fallen, ein Teil der Energie gefriert dadurch zu Materie. Unmittelbar danach trennt sich nun auch die starke Kernkraft von der Urkraft. Der Raum bläht sich jetzt mit Überlichtgeschwindigkeit auf. Nach 10^-30 Sekunden ist diese Inflationsphase bereits wieder beendet. In einem Zeitraum, gegenüber dem ein Wimpernschlag eine halbe Ewigkeit darstellt, ist das Universum vom Durchmesser eines Atoms auf die Größe eines Tennisballs angewachsen. Die neu geborenen Materieteilchen senden elektromagnetische Wellen aus, die den winzigen Kosmos für einen sehr kurzen Moment wieder aufheizen. In dem Sturm aus Mikrowellen zerfällt der Rest der Urkraft in schwache Kernkraft und Elektromagnetismus.


Das Universum ist eine Billionstel Sekunde alt, viele Billionen Grad heiß, sehr klein und nach wie vor von vollkommener Finsternis. Doch die Nabelschnur ist nun durchtrennt; Zeit, Raum, Materie und die vier Grundkräfte beginnen erstmals miteinander in Wechselwirkung zu treten. Es beginnt jener Teil der kosmischen Evolution, der sich mit Hilfe der modernen Physik beschreiben lässt.

 

Geburt der Teilchen

Mit der weiteren Ausdehnung fallen die Temperaturen wieder. Die ausgefrorenen Elementarteilchen formieren sich zu Quarks und Antiquarks. Nach 10^-6 Sekunden beginnt die starke Kernkraft jeweils drei Quarks und drei Antiquarks zu unzähligen ProtonenNeutronen und ihren entsprechenden Antiteilchen zu vereinen. 10^-4 Sekunden nach dem Urknall – die Temperatur ist bereits auf eine Billion Grad gefallen – ist diese Nukleonenbildung abgeschlossen. Materie und Antimaterie gehen nun auf Kollisionskurs, das große Teilchensterben beginnt: Protonen und Neutronen stoßen mit ihren Antiteilchen zusammen und verdampfen zu Photonen. Eine geheimnisvolle Asymmetrie bewirkt, dass in einem von einer Milliarde Fälle ein überschüssiges Materieteilchen übrigbleibt, eine Konstellation, die den Kosmos davor bewahrt, wieder zu reiner Energie zu verpuffen. Das kosmische Gleichgewicht ist zugunsten der Materie gekippt.


Nun ist die schwache Kernkraft am Zug: In einem wilden Hin und Her verwandelt sie Protonen zu Neutronen und wieder zurück. Bereits eine Sekunde nach dem Urknall ist das Universum soweit abgekühlt, dass der Prozess zum Erliegen kommt – die Verteilung der Nukleonen, ist nun festgelegt. Die Wandlung hat eine neue Teilchenklasse hervorgebracht, die Leptonen, allen voran Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen. Wie zuvor Nukleonen und deren Antiteilchen, annihilieren sich jetzt auch Elektronen und Positronen zu Photonen. Nach wenigen Sekunden ist auch diese zweite Vernichtungsschlacht geschlagen und abermals hat die Materie den Sieg davongetragen: Eines von einer Milliarde Elektronen hat überlebt.


Mit ProtonenNeutronenElektronen und Photonen verfügt der Kosmos nun über alle Grundbausteine, die seine weitere Entwicklung bestimmen werden. Auch das Verhältnis von Materie zu Energie ist jetzt festgeschrieben: Jedem Materieteilchen im Universum stehen eine Milliarde Lichtteilchen gegenüber. Dennoch herrscht weiterhin absolute Finsternis; die Photonen sind noch in dem dichten Teilchenplasma gefangen.

Das Universum ist drei oder vier Minuten alt und nur noch eine Milliarde Grad heiß, als die starke Kernkraft den nächsten Abschnitt der Genesis einleitet: Je zwei Protonen und Neutronen verschmelzen miteinander. Vier Minuten später ist die Temperatur soweit gefallen, dass keine weiteren Kernfusionen mehr möglich sind; ein Viertel aller Materie besteht nun aus Heliumkernen.

 

Geburt der Atome

Nach diesem Feuerwerk benötigt der junge Kosmos eine Atempause. Lange Zeit geschieht nichts weiter als stetige Ausdehnung und Abkühlung. Nach 380.000 Jahren ist die Temperatur auf 4.000 Grad gefallen. Die Bewegungen der Elektronen sind jetzt so langsam, dass zum ersten Mal die elektromagnetische Kraft in den Vordergrund treten kann. Mit ihrer Hilfe fangen Wasserstoff- und Heliumkerne die freien Elektronen ein: Die ersten Atome sind entstanden. Gezeugt durch die beiden Kernkräfte und den Elektromagnetismus, sind sie von nun an Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung des Kosmos. Zugleich hat der Elektronenfang im Universum aufgeräumt: Die Mikrowellen können nun aus der Gefangenschaft der Materie entfliehen und gebären die kosmische Hintergrundstrahlung.

 

 

Ein türkisfarbenes Oval, mit grünen, gelben, roten und blauen Einsprengseln
Ein Bild der Rausonde WMAP, das die Temperaturschwankungen der Hintergrundstrahlung wiedergibt

Geburt der Sterne

Jahrmillionen vergehen. Das All breitet sich stetig aus und kühlt dabei weiter ab. Mehr und mehr gerät die Materie nun unter den Einfluss der erstgeborenen Grundkraft: Die Gravitation beginnt das Universum zu formen. Winzige, noch aus der Inflationsphase stammende Dichteunterschiede bilden Keimpunkte, um die sich nebelartige Strukturen aus Wasserstoff- und Heliumatomen zusammenballen. Viele Millionen Jahre lang wabern gigantische, sich immer weiter verdichtende Gasnebel durch das Universum. Mit dem zunehmenden Druck erhöht sich ihre Temperatur. Die Gravitation benachbarter Schwaden löst einen Drehimpuls aus, die Gasnebel beginnen spiralförmig um ihre eigene Achse zu kreisen. Nach 200 Millionen Jahren haben sich die Spiralen zu Gasbällen mit einer Temperatur von über einer Millionen Grad verdichtet. Die Gravitation wird zum Zündmechanismus der starken Kernkraft: Der Gasball beginnt Wasserstoff zu Helium zu verbrennen. Mit der ersten Sonne, ist nun auch endlich das Licht geboren. Das dunkle Zeitalter ist zu Ende.

 

Ein Zeitstrahl, der die verschiedenen frühen Phasen des Universums widerspiegelt
Die Kindheit des Universums

Geburt der Elemente

Die ersten Sterne sind gigantisch. Ihr thermonukleares Feuer brennt so heftig, dass der Wasserstoffvorrat bereits nach drei bis vier Millionen Jahren verbraucht ist. Der Fusionsprozess kommt zum Erliegen, die ausgebrannte Sonne fällt in sich zusammen. Dichte, Druck und Temperatur steigen dadurch gewaltig an. Bei besonders massereichen Sternen erzeugt der Druck des in sich kollabierenden Heliumkerns Temperaturen von 100 Millionen Grad – genug, um eine neue Brennstufe zu zünden. Der sterbende Stern erwacht zu neuem Leben. In der extremen Hitze erbrütet er aus jeweils drei Heliumkernen ein Kohlenstoffatom. Nachdem auch das Helium ausgebrannt ist, beginnt das Spiel von vorne: Der erneute Kollaps zündet die nächste Stufe, das Kohlenstoffbrennen gebiert den ersten Sauerstoff, der Sauerstoff den ersten Stickstoff. Die größten Sterne, deren Druck Temperaturen von mehr als einer Milliarde Grad erzeugt, heben NeonMagnesiumSiliziumMangan und Eisen aus der Feuertaufe.

Für gewöhnliche Sonnen bedeutet das Erbrüten von Eisen diesmal den unweigerlichen Sternentod: Die stets zunehmende Macht des Elektromagnetismus – seine Reichweite ist unbegrenzt – übertrumpft nun die starke Kernkraft – sie wirkt nur innerhalb des Atomkerns – und erlaubt den Nukleonen keine weiteren Brennstufen mehr: Nach dem bisherigen Muster können keine schwereren Atome mehr entstehen. (Dass Eisen das Endprodukt der Elementsynthese gewöhnlicher Sterne darstellt, erklärt seine relative Häufigkeit im Vergleich zu anderen schweren Elementen im Universum.) Doch mit nur 26 verschiedenen Elementen will sich die Natur nicht zufriedengeben. Einige Sterne sind so gigantisch, dass ihr Sterben die Energie liefert, um die elektromagnetische Kraft wieder in die Schranken zu weisen: Der Eisenkern stürzt mit Macht in sich zusammen; die leichteren Elemente der vorangegangenen Brennstufen stürzen hinterher und beschießen die Eisenkugel derart heftig, dass dabei Temperaturen von mehreren Milliarden Grad entstehen. Der höllische Hagel setzt in dem implodierenden Stern zahllose Neutronen frei, die sofort von den Atomen eingefangen und durch die schwache Kernkraft in Protonen und Elektronen verwandelt werden. So liefert der Sonnentod innerhalb von Minuten die nötige Fusionsenergie, um NickelKupferSilberGold, BleiUran und alle anderen schweren Elemente zu schmieden. Am Ende vergeht der sterbende Stern in einer Supernova, einer gigantischen Explosion, die die neu erschaffenen Elemente ins Weltall schleudert.

 

Geburt der Galaxien

Nicht alle Atome entkommen dabei den sterbenden Mega-Sonnen. Sie werden Teil eines Neutronensterns, eines unvorstellbar dichten Gebildes von oftmals nur wenigen Kilometern Durchmesser.Einige von ihnen, die aus ganz besonders massereichen Sonnen hervorgegangen sind, krümmen durch ihre Gravitation die Raumzeit so stark, dass nichts, nicht einmal ein Lichtstrahl, ihnen entkommen kann: Die ersten schwarzen Löcher sind entstanden.


Bild eines Galaxiewirbels in weiss und blau vor schwarzem Hintergrund
Eine Spiralgalaxie

Die Supernovae haben ein neues Kapitel der kosmischen Evolution aufgeschlagen. Ihre Druckwellen erzeugen neue Materieverdichtungen, Keimzellen einer neuen Sternengeneration. Diesmal enthalten die kosmischen Wolken nicht nur Wasserstoff und Helium, sondern auch alle weiteren Elemente, die die ersten Sonnen dem noch jungen Universum geschenkt haben. Neue Sterne werden geboren und vergehen wieder. Die Gravitation ordnet sie über Milliarden Jahre hinweg zu hunderten von Milliarden Galaxien an, von denen jede selbst aus Abermilliarden Sonnen besteht...


Wer mehr wissen will:

Hawking, Stephen (2011): "Eine kurze Geschichte der Zeit" rororo

Tom Lehrer: "The Element Song": YouTube

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