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Viel Lärm um Nichts: Das Aufbauprinzip der Atome

Aktualisiert: 29. Apr.

Viel Lärm um Nichts

Atome sind die materielle Grundlage allen Seins – und damit auch allen Bewusstseins – im Universum. In ihrem Zentrum verbinden sich Quarks zu Protonen und Neutronen, die 99,95% der atomaren Masse ausmachen. Der winzige Rest entfällt auf die Elektronen. Sie umschwirren den Kern rastlos, sind überall und nirgendwo. Ihre Wellen spannen die Elektronenhülle auf, einen Raumbereich, von etwa einem zehnmilliardstel Meter Durchmesser. Wenn wir uns den Atomkern als Erbse auf dem Anstoßpunkt eines großen Fußballstadions vorstellen, dann hält sich das Elektron mit einer 95%igen Wahrscheinlichkeit irgendwo zwischen der Erbse und dem hintersten Tribünenrang auf. Vielleicht ist es aber auch überhaupt nicht im Stadium, sondern kilometerweit davon entfernt. Der Rest ist Leere. Atome bestehen vor allem aus dem Nichts!

 

Bild eines Atoms: Um den Kern mit Protonen und Neutronen eine diffuse Zone in der Elektronen umherschwirren
Schematischer (und keinesfalls maßstabsgerechter) Aufbau eines Atoms

Das Wechselspiel der vier Grundkräfte lässt Elementarteilchen und damit Materie entstehen. Die Chemie benötigt aus diesem Ensemble nur zwei Akteure: die positiven und negativen Teilchen des Elektromagnetismus. Protonen sind auf der chemischen Bühne die Charakterdarsteller. Ihre Anzahl bestimmt das Wesen eines Atoms, seine elementare Identität. Ein zusätzliches Proton verändert die Eigenschaften eines Atoms radikal, es macht aus dem Gas Helium das Metall Lithium, aus dem Metall Silizium das Nichtmetall Phosphor und aus Platin Gold. Die Hauptrolle aber kommt dem unscheinbaren Elektron zu. Die Leichtgewichte erschaffen unsere makroskopische Welt, indem sie die Atomsorten zu Abermilliarden Spielarten verbinden, von denen jede mit einzigartigen Eigenschaften versehen ist.

 

Das Aufbauprinzip

Drei Quantenmechaniker, Nils Bohr, Werner Heisenberg und Wolfgang Pauli, haben das theoretische Fundament geliefert, das dieses Wunder erklärt. Von Bohr stammt das grundlegende Atommodell.

Porträtbild eines jungen Mannes mit Anzug und Kravatte
Nils Bohr: Schöpfer des ersten Atommodells, das quantenmechanische Effekte mit einbezog

Heisenberg erweiterte es durch die Idee der Orbitale, und Pauli erkannte, dass die Anzahl der Elektronen, die sich dort jeweils aufhalten können, begrenzt ist. Diese drei Theorien sind im „Aufbauprinzip“ miteinander vereint, einem quantenmechanischen Modell, das die Organisation der elementaren Elektronenhüllen beschreibt. 


Kugel- und hantelförmige Formen die die Raumbereiche der verschiedenen Orbitale graphisch wiedergeben
Die Formen der s-,p-,d-und f-Orbitale

Bohrs Atommodell kennt sieben Elektronenschalen, von denen jede ein unterschiedliches Energieniveau repräsentiert und die von innen nach außen mit den Buchstaben K, L, M, N, O, P und Q bezeichnet werden. Den




Schalen lassen sich, gleichsam als

„Unterschalen“, jeweils bis zu vier verschiedene Orbital-Bausteine zuordnen: das kugelförmige s-Orbital, und die p-, d- und f-Orbitale, deren Formen sich am ehesten als ring- und hantelförmig umschreiben lassen (Die Abkürzungen stehen für die englischen Bezeichnungen „sharp“, „principal“, „diffuse“ und „fundamental“). Jedes Orbital hat dabei eine spezifische Höchstgrenze für die Aufnahme von Elektronen. Die K-Schale besteht nur aus einem s-Orbital, das maximal zwei Elektronen beherbergen kann. Die folgende L-Schale verfügt über zwei Orbitale: Ein s-Orbital und ein p-Orbital, das sechs Elektronen Raum bietet. Die L-Schale kann somit insgesamt acht Elektronen aufnehmen. Auf der M-Schale gesellt sich zu dem s- und p- noch ein d-Orbital, das zehn Elektronen fasst, so dass die M-Schale bis zu 18 Elektronen eine Heimat bieten kann. Auf der vierten, der N-Schale, erweitert das mächtige f-Orbital mit einer Kapazität von vierzehn Elektronen, das Gesamtfassungsvermögen der Schale auf 32 Elektronen. (Die Kapazität einer beliebigen Schale lässt sich mit der einfachen mathematischen Formel 2n^2 berechnen, wobei n der Zahl der jeweils betrachteten Schale entspricht. Für die vierte Schale, die N-Schale, beträgt die Kapazität also 2 x 4^2 = 32.).

 

links: ein Atomkern des Phosphors mit konzentriscxhen Kreisen, die seine Elektronenschalen darstsellen und auf denen 15 Punkte sitzen, die die Elektronen symoblisieren
Links: Das Aufbauprinzip des Phosphors. Rechts: Die Mathematik des Aufbauprinzips allgemein

Diese Elektronenkonfiguration ist ein schrittweiser Auffüllmechanismus, bei dem die Orbitale von innen nach außen bestückt werden. Die Plätze mit dem niedrigsten Energieniveau werden zuerst besetzt, da sie gegenüber dem Atomkern die geringste Lageenergie und somit die größte Stabilität aufweisen. Wer unten nicht mehr unterkommt, muss sich notgedrungen weiter oben einen weniger stabilen Raumbereich suchen.

 

Das Aufbaumodell der Atome am Beispiel des Phosphors

Diese Logik lässt sich anhand von Henning Brands Phosphor illustrieren. Er hat 15 Protonen und muss in seiner elektrisch neutralen Variante somit auch 15 Elektronen unterbringen. Die beiden ersten finden sich auf dem s-Orbital der K-Schale. Die nächsten acht werden durch das s- und p-Orbital der L-Schale versorgt. Den übrigen fünf Elektronen bleibt nur die M-Tribüne: zwei im s-Block, drei weitere im p-Block. Mit jeder neuen Schale kommen immer ein s- und ein p-Orbital hinzu, insgesamt also Raum für acht Elektronen. Zusammen bilden diese beiden jeweils äußersten Orbitale die „Valenzschale“; ihre Ladungsträger sind die „Valenzelektronen“. Phosphor verfügt somit über fünf dieser exponierten Ladungsträger. Um die Valenzelektronen dreht sich in der Chemie so ziemlich alles. Dass die Valenzschalen maximal acht Elektronen fassen, ist der quantenmechanische Schlüssel zum Verständnis des von Mendelejew und Meyer gefundenen Rhythmus.


Gemälde eines bärtigen Alchemisten vor einem leuchtenden Glaskolben
Henning Brand entdeckt den Phosphor

Bredouille

Der Physik-Artikel der letzten Woche endet mit einer kurzen Vorstellung der ersten modernen Atomtheorie, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch John Dalton aufgestellt wurde. Das brachte mich jetzt erstmals in eine kleine Bredouille: Die Inhalte dieses Blogs basieren auf den Kapiteln meines Buchs in der Reihenfolge: Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Geschichte des Universums, Bewusstsein, Sprache, Philosophie, Gesellschaft, Ökonomie und Geschichte der Menschheit. Das Folgekapitel baut jeweils auf Aussagen des vorausgegangenen Kapitels auf. Die Kapitel selbst folgen der Chronologie des historischen Erkenntnisfortschritts. Wer das Buch liest - es erscheint jetzt doch erst im Juni :( - liest normalerweise erst das Physik-Kapitel fertig, bevor er mit dem Chemie-Kapitel anfängt. Der Blog aber folgt nicht der Kapitelstruktur des Buchs, sondern widmet jede Woche jedem der elf Buchkapitel einen eigenen Beitrag. In der Chronologie des Blogs sind wir in der Kategorie Physik erst bei Newton und Dalton angelangt. Danach ist aber noch einiges geschehen. Unser modernes Physikverständnis beruht auf Einsteins Relativitätstheorie und auf der Quantenphysik. Letztere ist elementar, um die Chemie zu verstehen, die streng genommen nur eine bestimmte Physik ist – die Physik der Elektronenschalen. Das in diesem Artikel vorgestellte Aufbauprinzip der Atome setzt somit eigentlich gewisse Kenntnisse der Quantenphysik voraus, die in diesem Blog bisher noch nicht behandelt wurden. Das nur zur nachträglichen Erklärung.

 


Wer mehr wissen will:

Günter KlarArmin Reller (2023): „Das Werden der Chemie“, Wiley-VCH.

Moore, John T. (2020): „Chemie kompakt für Dummies“, Wiley-VCH  

 

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