Kant für Einsteiger
- Jens Bott
- vor 4 Tagen
- 10 Min. Lesezeit
Ein unbekannter Gelehrter für Logik und Metaphysik
Immanuel Kant wurde 1724 in Königsberg geboren und starb dort knapp 80 Jahre später, ohne sich jemals mehr als einige Meilen von seiner Geburtsstadt entfernt zu haben. Als der aus einfachen Verhältnissen stammende Ostpreuße (sein Vater war ein Sattler) in bereits fortgeschrittenem Alter 1770 zum Professor für Logik und Metaphysik der örtlichen Universität berufen wurde, deutete alles auf ein geruhsames, unauffälliges Professorenleben hin. Kant war überzeugt, dass jedem Menschen ein bestimmtes Potential an Lebensenergie zur Verfügung steht, das, wie eine Batterie, nach und nach verbraucht wird. Ein regelmäßiger, ruhiger Wandel schont die Kraftreserven. Jahrzehntelang stand er frühmorgens stets zur gleichen Zeit auf, nahm um ein Uhr die einzige Mahlzeit des Tages zu sich, unternahm am Nachmittag zur exakt gleichen Zeit einen Spaziergang, (nach dem angeblich die Einwohner von Königsberg ihre Uhren stellten), und ging am Abend immer um 22 Uhr zu Bett. Außer mit einer Theorie zur Entstehung der Planeten, die er 1755 unter dem Eindruck von Newtons Principia veröffentlicht hatte, war Kant akademisch bisher nicht weiter aufgefallen.[i]

Hume löst bei Kant eine Krise aus
Kurz nach seiner Ernennung waren dem in der kontinental-rationalistischen Tradition stehenden Kant die frühen Schriften David Humes in die Hände geraten. Die drastischen Thesen des Schotten trafen den preußischen Philosophen wie einen Schlag. Später schrieb er, Hume habe ihn aus seinem „dogmatischen Schlummer“ erweckt. Der Schrecken saß tief: Hätte der Mann aus Edinburgh mit seiner Fundamentalkritik an Erkenntnistheorie und Metaphysik recht, wäre Kants Hauptfächern jegliche Grundlage entzogen. Der Professor stürzte sich in die Auseinandersetzung. Gut zehn Jahre lang isolierte er sich vom gesellschaftlichen Leben und begab sich auf eine mentale Reise, die ihn zu neuen erkenntnistheoretischen Horizonten führen sollte. Das Ergebnis erschien 1781. Die „Kritik der reinen Vernunft“ ist eines der bekanntesten (wenn auch nicht gerade einfach zu lesenden) Werke der Geschichte des Denkens. Kants Kritik – der Begriff bedeutet in diesem Zusammenhang so viel wie „Untersuchung“ – analysiert die Frage, ob Erkenntnistheorie und Metaphysik vor der humeschen Fundamentalkritik gerettet werden können. Letztlich geht es Kant darum, die beiden feindlichen Lager der Rationalisten und Empiristen miteinander zu versöhnen und zu ergründen, was für uns überhaupt erfahrbar ist.

Humes Argumente sind fraglos stark: Der Verstand kann die Welt nicht erkennen, ohne dass die Sinne ihm hierfür das Material liefern. Doch Kants Zweifel am Empirismus sind damit nicht vollständig ausgeräumt. Denn sinnliche Erfahrungen können ohne verstandesmäßige Bearbeitung keine Gewissheit bringen. Das schlagende Beispiel ist die kopernikanische Wende der Astronomie. Würden wir uns auf den Augenschein verlassen, spräche tatsächlich alles dafür, dass die Sonne um die Erde kreist. Allein durch Nachdenken, durch den Gebrauch seines Verstandes, konnte Kopernikus zu der Einsicht gelangen, dass es sich auch umgekehrt verhalten könnte. Für Kant steht somit fest, dass beide Komponenten zur Erkenntnis beitragen: Unser Sinnesapparat ermöglicht Anschauungen und unser Verstand weist den Begriffen, die wir diesen Anschauungen geben, Bedeutungen zu. Allein die Synthese von Sinn und Verstand erlaubt es uns, Urteile zu fällen und so Erkenntnisse über die Welt zu erlangen.

Wir verzerren immer die Realität
Dabei müssen wir uns stets bewusst sein, dass die Dinge nicht so sind, wie sie uns erscheinen. In jeder Sinneswahrnehmung gibt es Elemente, die nicht in der Natur des Betrachtungsobjekts selbst liegen, sondern durch den Beobachter in den Gegenstand hineingetragen werden. Das Problem existiert allerdings nicht nur für die Empirie – die „Formen der Anschauung“ – sondern berührt auch unsere Denkprozesse – die „Formen des Urteils“. Sowohl durch die empiristische als auch durch die rationalistische Brille nehmen wir die Realität also nur verzerrt wahr. In Allem, was wir betrachten, steckt ein Teil von uns, den wir aber fälschlicherweise für eine Eigenschaft des betrachteten Objekts halten. Unsere Erkenntnisorgane verändern die Gegenstände durch unsere Anschauung und erlauben es uns daher grundsätzlich nicht, die Welt so zu erkennen, wie sie tatsächlich ist. Da unser Bewusstsein mit der Realität nicht in Kontakt treten kann, können wir auch nicht unterscheiden, welche Eigenschaften den Dingen tatsächlich innewohnen und welche wir lediglich in sie hineinprojizieren. Kant stimmt Hume zu, dass auch die Kausalitäten, die wir in den Naturgesetzen zu finden meinen, solche Projektionen sind. Doch während Kausalitäten für Hume Vermutungen bleiben, ist Kant von ihrer Existenz überzeugt. Absolutes Wissen ist damit grundsätzlich möglich.

Seine neue Perspektive, die die Subjektivität menschlicher Weltbetrachtung in den Mittelpunkt stellt, bezeichnet Kant (nicht ganz unbescheiden) als „kopernikanische Wende der Philosophie“. Die Strukturen unserer Wahrnehmung bestimmen unser Erkenntnisvermögen, sie machen uns zum Schöpfer unserer eigenen Welt. Und diese Welt möchte Kant vermessen.
Ist die Metaphysik noch zu retten?
Eine Frage liegt dem Professor für Metaphysik und Logik besonders am Herzen: Ist es grundsätzlich möglich, gesichertes Wissen auch „a priori“, also vor der Wahrnehmung zu erlangen? Wenn nicht, wäre die Metaphysik, wie von Hume behauptet, eine rein spekulative Angelegenheit und damit für die Philosophie unbrauchbar[ii]. Zur Analyse dieser Frage erstellt Kant ein einfaches Schema. Die erste Dimension „a priori“ und „a posteriori“ beschreibt Erkenntnis vor und nach empirischer Erfahrung. A priori-Wissen ist nicht an Bedingungen geknüpft, sondern immer gültig. A posteriori-Wissen ist bedingt und kontextabhängig. Die zweite Dimension des Schemas unterscheidet „analytisch“ und „synthetisch“. Analytische Betrachtungen zerlegen Wissen lediglich in ihre Bestandteile, liefern aber keine neuen Erkenntnisse; synthetisches Wissen hingegen erweitert den Erkenntnishorizont.

Analytisches a priori-Wissen ist beispielsweise die Feststellung „Die Kugel ist rund“. Wir benötigen keine empirische Überprüfung, um die Richtigkeit dieser Aussage zu bestätigen – schließlich ist es das Wesen einer Kugel, rund zu sein. Der Befund ist zwar immer wahr, erweitert mein Wissen aber nicht. Unstrittig ist zudem, dass die Erfahrung, der Einsatz meines Sinnesapparats, mein Wissen erweitert: Aus der Aussage „Die Kugel wiegt ein Kilogramm“ geht nicht zwingend hervor, dass dem auch so ist. Durch Wiegen lässt sich aber die Richtigkeit der Aussage überprüfen. Die dritte mögliche Konstellation, der Versuch, mittels Empirie analytisches Wissen zu gewinnen, ist unsinnig. Wir müssen nicht überprüfen, ob die Kugel rund ist. Wäre sie es nicht, wäre sie keine Kugel. Da empirische Erkenntnisse nichts Notwendiges enthalten, können sie immer nur a posteriori, also nach der Erfahrung, gewonnen werden.
Ist rein denkender Erkenntnisgewinn möglich?
Die entscheidende Frage für Kant ist die letzte Möglichkeit: Kann erweiterndes Wissen rein durch den menschlichen Geist gewonnen werden? Von der Antwort hängt die Existenzberechtigung der Metaphysik als ernstzunehmende Wissenschaft ab. Kant beantwortet die Frage mit „ja“. Ein schlagendes Beispiel ist die Mathematik: 7 + 5 = 12. Die Richtigkeit dieser Aussage kann ohne Empirie bewiesen werden. Doch Kant ist überzeugt, dass sich synthetisches a priori-Wissen auch auf allgemeine Bereiche des Menschseins ausweiten lässt. Die Transzendentale Ästhetik – so bezeichnet Kant unser Vermögen, Wahrnehmungen in Raum und Zeit einordnen zu können – ist nicht von Erfahrung abhängig (Kant verwendet den Begriff Ästhetik hier in seinem ursprünglichen Sinne als „sinnliche Wahrnehmung“). Raum und Zeit, als Projektionen der äußeren und inneren Anschauung, sind keine Phänomene der Natur, deren Umgang wir erst erlernen müssten; ihr Verständnis ist uns vielmehr von Geburt an, also a priori, mitgegeben. Dies erst macht die Welt für uns vorstellbar.

Die Bewertung von Wahrnehmungen durch den Verstand ist für Kant nur deshalb möglich, weil in unserem Kopf Strukturen existieren, die die Dinge in Raum und Zeit einordnen, filtern und beurteilen. Das Instrument, mit dem dies geschieht sind Begriffe. Auch sie sind a priori-Wissen. Wir bewerten unsere Erfahrungen, indem wir ihnen Begriffe zuordnen. Kant fasst es so zusammen: „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“[iv] Die Strukturen, auf die der Verstand zugreift, um Empirisches und Rationales miteinander zu verbinden, bestimmen die „Bedingungen der Möglichkeit“. Das passende Raster hierfür findet Kant bei Aristoteles, der mehr als 2.000 Jahre zuvor in seiner Logik Quantität, Qualität, Relation und Modalität als Kategorien der Urteilsbeschreibung bereits aufgeführt hatte. Kant verfeinert dieses Konzept, indem er den vier Kategorien noch einmal jeweils drei Unterkategorien zuweist. So sind beispielsweise „Ursache und Wirkung“ eine Unterkategorie der Relation. In dieser zwölfteiligen Struktur – Kant bezeichnet sie als Transzendentale Logik – findet der Verstand die nötigen Begriffe, um seine Urteile zu bilden.
Damit hatte Kant die Transzendentalphilosophie geschaffen. Mit ihrer Hilfe lassen sich die empirischen und rationalistischen Bedingungen untersuchen, die uns zu neuen Erkenntnissen führen können. Zudem zeigt sie, dass Wissen a priori ohne spekulative Elemente erweitert werden kann, eine Erkenntnis, die die Metaphysik rettet und mit der sich die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit ausloten lassen: Der realen Welt steht eine durch unser Bewusstsein erzeugte Welt der Erscheinungen gegenüber. Das seit Platon angestrebte Ideal, die reale Welt, das „Ding an sich“, mit unseren Sinnen erkennen zu wollen, müssen wir aufgeben.[v]
Ein neues philosophisches Werkzeug
Mit dem neuen Werkzeug der Transzendentalanalyse möchte Kant nun grundlegende Streitfragen der Philosophie untersuchen. Etwa die alte Antinomie um die Existenz Gottes. Beide Aussagen, „Es gibt Gott“ und „Es gibt Gott nicht“ können richtig sein. Doch welche davon wahr ist, wird sich weder empirisch noch rationalistisch jemals überprüfen lassen. Alle historischen Versuche, die Existenz oder Nichtexistenz Gottes zu begründen, erweisen sich aus transzendentalphilosophischer Perspektive als unsinnig.
Ein anderer klassischer Disput bringt den Königsberger Professor allerdings in Bedrängnis. Der These der Freiheitsantinomie „Die Welt ist nicht nur kausal bestimmt“ steht die Gegenthese: „Die Welt ist rein kausal“ gegenüber. Doch diese zweite Möglichkeit hätte eine furchtbare Implikation. Es gäbe dann keinen freien Willen und damit wäre wiederum jegliche Ethik sinnlos. Dieser Vorstellung möchte Kant nicht folgen. Er verteidigt die Freiheit mit einer hypothetischen Annahme: In der für uns nicht erfahrbaren Welt des „Dings an sich“ existieren die Beschränkungen, die Sinn und Verstand uns auferlegen nicht. Dort gibt es weder Raum noch Zeit noch Begriffe oder Kausalität. Diese Welt ist das Reich der Freiheit. Für den Menschen bedeutet Freiheit, dass er die Wahl hat, sich bewusst moralischen Gesetzen zu unterwerfen – Gesetze, die die Vernunft gebietet und nicht die Natur. Der Mensch, der sich über seine Instinkte erhebt, ist Ursache, nicht Wirkung. Kant weiß, dass diese Behauptung angreifbar ist. Aber er benötigt dieses Postulat, um den freien Willen und damit die Ethik zu retten. Und darum sollten wir, so Kant, auch die Existenz Gottes annehmen. Ohne ihn hätten wir keinen Grund, das Gute auch zu wollen.
Wie soll der Mensch mit seiner Freiheit umgehen?
Wie Platon möchte auch Kant ein System erschaffen, das die Welt umfassend erklärt. Und so widmet er eine zweite kritische Schrift, die 1788 erschienene „Kritik der praktischen Vernunft“, der Frage, wie der Mensch mit seiner Freiheit umgehen soll. Die Aufgabe, vorbildliches Leben und Handeln in Einklang zu bringen, will Kant nicht mehr allein der Religion überlassen. In der Antike bedeutete Ethik in erster Linie „das Gute“ zu tun. Die schottischen Aufklärer David Hume und Adam Smith hatten eine Gefühlsethik propagiert, nach der moralisches Handeln durch positive Vorbilder erlernt werden soll. Beides ist Kant nicht genug. Er sucht nach absoluten, rationalen und objektivierbaren Prinzipien, die a priori existieren. Die Handlungsanweisung, der Imperativ, darf weder subjektiv noch hypothetisch sein, noch soll er egoistischen Zielen dienen. Er muss für alle Menschen gleichermaßen und unter allen Bedingungen gelten, also kategorisch sein. Diese Bedingungen führen Kant zur Definition seines berühmten kategorischen Imperativs: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“[vi]
Dieses „Grundgesetz der praktischen Vernunft“ ist das vielleicht bekannteste Zitat des Königsberger Philosophen. Es stellt eine einfache, für alle leicht nachzuvollziehende Grundorientierung dar: Mein Verhalten ist dann richtig, wenn meine Moral auch von allen anderen akzeptiert werden kann. Das geht über das Sprichwort „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“ hinaus. Denn diese in vielen Kulturkreisen bekannte „goldene Regel“ zielt allein auf Vermeidung. Kants Formulierung umfasst aber ebenso positives Verhalten – auch sich selbst gegenüber. Das Gute soll um seiner selbst willen getan werden. Oder wie Kant es formulierte: „Die Tugend [ist] nur darum so viel wert, weil sie so viel kostet, nicht weil sie etwas einbringt.“[vii]
Moral, so Kant, bedarf keiner Erklärung durch Gott oder die Natur. Keine abstrakte Instanz muss uns sagen, was wir tun sollen – wir müssen es selbst wissen. Das moralische Gesetz ist absolut und daher nicht von bestimmten Situationen abhängig, denn im Reich der Freiheit unterliegt nichts den kausalen Zwängen der hiesigen Welt. Der kategorische Imperativ ist eine freiwillige Selbstverpflichtung, das Gute tun zu wollen. Im Einzelfall kann das auch bedeuten, dass das Handeln unbeabsichtigt negative Folgen hat – was allein zählt, ist der gute Wille und dass die Würde aller Beteiligten gewahrt wird. Der Mensch ist ein Zweck an sich und darf nicht als Mittel für die Zwecke anderer Menschen missbraucht werden. Was wie ein abstraktes, idealistisches Gedankenspiel klingt, prägt unser heutiges Rechtsverständnis entscheidend. Es ist genau dieses Bild der Menschenwürde von dem Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland spricht. Hier wirkt Kant bis heute.
Am Ende der Kritik der praktischen Vernunft findet sich jenes Kant-Zitat, das auch den Grabstein des Philosophen ziert: „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir“[viii] Hier stellt Kant noch einmal die beiden von ihm geschaffenen Welten gegenüber: Die große äußere Welt, in die wir als winziges Rädchen eingebettet sind und die wir versuchen, mit Sinn und Verstand zu erfassen; und die innere Welt, die Welt der Freiheit, die uns auffordert, das Gute zu tun.
Ein visionärer Geist
Gott war für Kant ein Postulat der Vernunft und gerade die Tatsache, dass wir über seine Existenz kein Wissen haben können, schafft Raum für den Glauben. Das hielt den Philosophen in den 1790er Jahren nicht davon ab, sich wie zuvor Spinoza und Hume in verschiedenen Schriften kritisch zu Religion und kirchlicher Bevormundung zu äußern. Provokante Thesen, wie die Forderung, die Aussagen der Bibel an den Maßstäben der praktischen Vernunft zu messen, sowie seine Kritik an dem Dogma der Erbsünde, führten in Preußen dazu, dass Kant seine religiösen Schriften nicht mehr publizieren durfte.
Doch die Frage „Was darf ich hoffen“ geht für Kant über die Religion hinaus. In zwei Aufsätzen, „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“ (1784) und „Zum ewigen Frieden“ (1795), entwickelt er eine bemerkenswerte Vision. Die Geschichte begreift Kant darin als den Prozess der schrittweisen und zielgerichteten Entwicklung der Vernunft. Beeindruckt vom Freiheitsgedanken der Französischen Revolution äußert er sich überzeugt, dass die Republik die einzige erstrebenswerte Staatsform sei. Mit diesen Gedanken begründet Kant die klassische Geschichtsphilosophie. Um dem Ideal eines ewigen Friedens schon im Diesseits näherzukommen, überträgt er die Kriterien seiner praktischen Vernunft auf alle Völker. Ein kosmopolitisches Regelwerk, ein Völkerrecht, institutionalisiert durch einen Völkerbund, soll den friedvollen Umgang der Nationen untereinander sicherstellen. Dazu gehören allseitiger Verzicht auf die Veränderungen von Staatsgrenzen und die Ächtung von Krieg und Kolonisierung als politischen Mitteln. Ließe man, was nur in einer Republik möglich ist, die Menschen selbst über Krieg und Frieden abstimmen, fände sich für den Krieg keine Mehrheit mehr. Ende des 18. Jahrhunderts ein wahrhaft visionärer Gedanke!
Wer mehr wissen will:
Kant, Immanuel (2009): „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“, Projekt Gutenberg-DE.
Kant, Immanuel (1995): „Kritik der praktischen Vernunft“, Projekt Gutenberg-DE.
Kant, Immanuel (1956): „Kritik der reinen Vernunft“, Meiner.
Kant, Immanuel (1977): „Kritik der Urteilskraft“, Suhrkamp.
Kant, Immanuel (1784): „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“, Berlinische Monatsschrift, November 1784, S. 385-411.
Kant, Immanuel (1795): „Zum ewigen Frieden“, Projekt Gutenberg-DE.
Bildnachweise:
[i] Laplace entwickelte später unabhängig von Kant die gleiche Idee zur Planetenentstehung. Die Kant-Laplace-Theorie wurde später von James Clerk Maxwell widerlegt.
[ii] Hier wird der Zeitgeist der Aufklärung deutlich: Während man Metaphysik grundsätzlich auch spekulativ betreiben könnte, war es Kant wichtig, sie als eine Wissenschaft zu positionieren, die sich mit Newtons fortschrittlicher Physik messen lassen konnte.
[iv] Kant (1956) S.95.
[v] Kant nimmt damit wesentliche Erkenntnisse der neurobiologischen Forschung vorweg.
[vi] Kant (1995) Kapitel 7, § 7.
[vii] Kant (1995) Kapitel 32.
[viii] Kant (1995) Kapitel 34.
댓글