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Geschichte der Menschheit: die Zeit der Ismen (Teil 2): 1900 bis 1945


Deutschland wird Großmacht

Drei Ismen – Nationalismus, Imperialismus und Militarismus – gehen zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine unheilvolle Allianz ein. In Deutschland geht diese Entwicklung mit einem rasanten Aufstieg einher, der nach der Nationalstaatsgründung die seit dem 18. Jahrhundert bestehende europäische Machtbalance entscheidend verändert. Die einstige kleine Großmacht Preußen ist in dem viel größeren und sich nun rasch industrialisierenden Deutschen Reich aufgegangen. Seit Anfang der 1890er Jahre herrscht eine langanhaltende Hochkonjunktur. Zwischen 1871 und 1914 verdoppelt sich das pro-Kopf BIP auf 3.648 Dollar; die deutsche Bevölkerung zählt nun 65 Millionen Menschen. Die verspätete Nation hat sich mit einer eigentümlichen Mischung aus technischer Fortschrittlichkeit und politischer Rückständigkeit in der Hierarchie der europäischen Mächte auf den zweiten Platz nach Großbritannien geschoben.


Die Bismarck-Jahre sind einerseits von innenpolitischen Spannungen der protestantischen Elite mit Sozialdemokraten und Katholiken geprägt, andererseits von außenpolitischer Zurückhaltung. Nachdem der junge Kaiser Wilhelm II den alten Reichskanzler 1890 aus dem Amt gedrängt hat, kehren sich die Prioritäten um. Nach Innen verfolgt die neue Reichsregierung nun einen Kurs gesellschaftlicher Befriedung, nach Außen betreibt sie jedoch eine aggressive Kolonial- und Flottenpolitik, die insbesondere den einstigen Verbündeten Großbritannien verprellt. Frankreich schließt gegen das aufstrebende Deutsche Reich ein strategisches Bündnis mit Russland, was dessen Nachbarn Österreich-Ungarn wiederum veranlasst, den Schulterschluss mit Deutschland zu suchen. 


Das labile Gleichgewicht kippt im Juli 1914, als serbische Nationalisten den österreichischen Thronfolger in Sarajewo ermorden. Drohgebärden, Missverständnisse und Bündniszwänge lösen eine unheilvolle Kettenreaktion aus. Auch die Tatsache, dass der deutsche Kaiser, der englische König und der russische Zar Cousins sind, verhindert nicht, dass am 1. August 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht.


Foto des deutschen Kaisers Wilhelm II - in Uniform und mit imposantem Schnurrbart
Wilhelm Zwo: Cousin des englischen Königs und des russischen Zaren

Weltenbrand

Die europäischen Großmächte, die die Welt regieren, möchten nun die Machtverhältnisse auch innerhalb des eigenen Kontinents endgültig geklärt wissen. Da der deutsche Aufmarsch gegen Frankreich die belgische Neutralität verletzt, liefert er Großbritannien einen formellen Grund, auf Seiten Frankreichs und Russlands in den Krieg einzutreten. Dieser Entente stehen die Mittelmächte Deutschland, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich gegenüber. Italien, das sich zunächst neutral verhält, schlägt sich 1915 auf Seiten der Entente.



Historisches Bild des Attentats
Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers und seiner Frau

Die von Deutschland gesuchte schnelle Entscheidung im Westen scheitert. Der technische Fortschritt bei den Verteidigungswaffen, insbesondere der Einsatz von Maschinengewehren und Stacheldraht, führt zu einem Stellungskrieg, bei dem sich die Frontverläufe kaum noch verschieben. Es kommt zu nie dagewesenen Materialschlachten, bei denen Menschenmaterial ebenso Teil der Einsatzgleichung ist, wie schwere Artillerie, Giftgas, Flugzeuge und Panzer. 1917 schöpfen die ausgelaugten Mittelmächte noch einmal Hoffnung. Mit einem geschickten Schachzug schleust die deutsche Regierung Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924) zusammen mit einigen Vertrauten aus dem Schweizer Exil nach Russland ein. Die Dissidenten – wie alle Revolutionäre Angehörige einer kleinen gebildeten bürgerlichen Elite – entfachen die Oktoberrevolution; das Zarenreich scheidet damit aus dem weltweiten Ringen aus. Doch noch im selben Jahr besiegelt der Kriegseintritt der USA auf Seiten der Entente das Schicksal Deutschlands und seiner Verbündeten – es ist der Beginn des amerikanischen Zeitalters. Im November 1918 müssen die Mittelmächte kapitulieren.


Koloriertes historische Foto - im Vordergrund ein deutscher Soldat mit Pickelhaube und einer Zigarette im Mund
Britische und deutsche Soldaten verbrüdern sich verbotenerweise Weihnachten 1914

Da der Krieg nicht vom Schnellsten gewonnen werden konnte, geht der Sieg an den Stärksten.[i] Die ökonomischen Kraftverhältnisse sprechen eine eindeutige Sprache: Deutschland und Österreich-Ungarn repräsentieren am Vorabend der Katastrophe weniger als 20% der weltweiten Industrieproduktion; die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich zusammen hingegen mehr als 50%.[ii] Auf den Schlachtfeldern Europas sind fast zehn Millionen junge Männer verblutet; dazu kommen mindestens fünf Millionen Zivilisten, die meisten davon Hungertote.[iii]


Demokratische Bestrebungen

Gemäß der Versailler Verträge muss Deutschland Gebiete an Frankreich, Belgien und Polen abtreten und umfangreiche Reparationszahlungen an die Siegermächte leisten. Die verbündeten Vielvölkerstaaten Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich werden zerschlagen; in Südosteuropa entstehen die Ungarische und die Tschechoslowakische Republik sowie das Königreich Jugoslawien; Rest-Österreich wird der gewünschte Anschluss an das Deutsche Reich von den Siegermächten verwehrt. Im Nahen Osten teilen sich Großbritannien und Frankreich die Konkursmasse der Osmanen. Dass sie bei der Grenzziehung keinerlei Rücksicht auf die verschiedenen Ethnien, Kulturen und religiösen Strömungen nehmen, birgt den Keim zahlreicher künftiger Konflikte in der Region.


Der Erste Weltkrieg verändert aber nicht nur Staatsgrenzen, sondern auch die westlichen Gesellschaften. Seit der Antike waren selbst Demokratien immer nur eine Herrschaft von Minderheiten. Erst jetzt beginnen sie echte Mehrheiten zu repräsentieren. Während vor dem Großen Krieg weltweit nur Neuseeland (1893) und Finnland (1906) das Frauenwahlrecht eingeführt hatten, bewirkt die Tatsache, dass Millionen Frauen während des Krieges an der Heimatfront Männerarbeit übernommen hatten, nun ein allgemeines Umdenken. In Österreich-Ungarn erhalten Frauen unmittelbar nach Kriegsende das Wahlrecht; Deutschland folgt 1919, die USA 1920; Großbritannien vollzieht die uneingeschränkte politische Gleichstellung 1928; nur in Frankreich gelingt es einer merkwürdigen Allianz aus katholischer Kirche und Radikal-Sozialistischer Partei das Frauenwahlrecht noch bis 1945 zu verhindern.[iv]


Umsturz in Russland

In Russland mündet die Revolution in einen Bürgerkrieg, in dem sich schließlich die Kommunisten durchsetzen. Die 1922 aus dem russischen Kolonialreich hervorgegangene Sowjetunion erhebt erstmals die marxistische Theorie zur Staatsdoktrin. Die erste sozialistische Ordnung ist nicht wie von Karl Marx vorhergesagt aus einer kapitalistischen Gesellschaft hervorgegangen, sondern aus einem rückständigen Feudalstaat. Doch das neue Regime verheißt den lange unterdrückten Volksmassen weder Gleichheit noch Freiheit – der sozialistische Mensch soll sich stattdessen selbstlos dem Wohl der Allgemeinheit unterwerfen. Josef Stalin (1878-1953), der 1924 nach Lenins Tod den Machtkampf gegen Leo Trotzki gewinnt, intensiviert die unter seinem Vorgänger begonnene Politik der Zerstörung traditioneller gesellschaftlicher Strukturen. Millionen Menschen – Intellektuelle, ehemalige Adelige, Angehörige des Offizierskorps aber auch einfache Bauern – die verdächtigt werden, dem Aufbau der neuen Gesellschaft im Wege zu stehen, fallen Säuberungsaktionen zum Opfer. Ökonomisch setzt der Diktator auf eine rasche Industrialisierung des zurückgebliebenen Landes. 1928 werden Fünfjahrespläne eingeführt, die Investitionen, Produktion, Preise und Löhne zentral festlegen. Der Aufbau der Schwerindustrie gelingt. Die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft schlägt hingegen grausam fehl: Anfang der 1930er Jahre verhungern in der Sowjetunion schätzungsweise zwischen drei und sieben Millionen Menschen, die meisten davon in der Unionsrepublik Ukraine. 


Gemälde heroischer kommunistischer Kämpfer
Revolution in Russland

Großmachtträume am Mittelmeer

Auch Italien wird zu einem totalitären Staat. Obwohl das Land im Weltkrieg auf Seiten der Siegermächte stand, erhält es nicht alle vorab versprochenen Gebiete, so dass sich viele Italiener um die Früchte des Sieges betrogen fühlen. In bürgerlichen Kreisen fürchtet man sich zudem vor einer kommunistischen Revolution nach russischem Vorbild. Vor diesem Hintergrund kommt 1922 der ehemalige Sozialist Benito Mussolini an die Macht. Ebenso wie der Sozialismus, möchte auch der von ihm begründete Faschismus einen neuen Menschen schaffen. Das durch Individualismus, Liberalismus und Religion verweichlichte Volk soll von einer „Gesellschaft“ in eine durch solidarische Ideale getragene „Gemeinschaft“ zurückverwandelt werden. Letztliches Ziel ist es, die Menschenmassen durch diese „anthropologische Revolution“ mit dem totalitären Staat zu verschmelzen.[v] Außenpolitisch gibt sich Mussolini dem Traum hin, im östlichen Mittelmeer ein neues Römisches Reich zu errichten.


Weimar

Deutschland erhält erstmals in seiner Geschichte eine demokratische Verfassung. Die alte autokratische Herrschaftsstruktur ist nun zwar beseitigt, doch die Weimarer Republik wird von den Wenigsten geliebt; von Anfang an kämpfen auch linke und rechte Ideologen um die Macht. Die Zuweisung der alleinigen Kriegsschuld durch die Siegermächte und die damit verbundenen hohen Reparationsforderungen, vor allem aus Frankreich, werden von der Bevölkerung als Unrecht empfunden. Der Staat versucht den Ansprüchen der Siegermächte mit Hilfe der Notenpresse zu entkommen, was dazu führt, dass im Oktober 1922 die Mark nur noch den tausendsten Teil ihres Vorkriegswertes aufweist. Als Deutschland die Lieferquoten für Rohstoffe und Industriegüter nicht mehr im vereinbarten Umfang erfüllt, besetzen französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet. Die Scheine, die die deutsche Regierung nun zusätzlich drucken lässt, um den passiven Widerstand der streikenden Ruhrbevölkerung zu finanzieren, führen 1923 zu einem völligen Zusammenbruch des Geldsystems. Mitte November, am Höhepunkt der Hyperinflation, beträgt das Porto für einen Brief 10 Milliarden Mark.


Ein Fünfzig Millionen Mark-Schein
Wenn ich einmal reich wär: Inflationsgeld, das ich von meiner Oma bekommen habe; sie sagte mir damals: Ich habe das aufgehoben, weil ich gedacht habe, das glaubt uns hinterher kein Mensch mehr.

Nach der Währungsreform von 1924 tritt eine Phase relativer Stabilität und wirtschaftlichen Aufschwungs ein. Doch Ende 1929 wird Deutschland mit voller Wucht von der Weltwirtschaftskrise getroffen. Vier Jahre später ist jeder Dritte arbeitslos. Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, eine rechtsradikale Splittergruppe, die noch im Mai 1928 lediglich 2,6% der Stimmen errang, erhält bei den Reichstagswahlen im März 1933 nun Zuspruch von 43,9% aller Wähler. Der rasante Aufstieg ist nicht nur den schwierigen wirtschaftlichen Umständen geschuldet, sondern auch der Persönlichkeit des Parteivorsitzenden Adolf Hitler. Der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammende Weltkriegsgefreite ist ein außerordentlich begabter Agitator und Redner, der die erfolgreichen Methoden der italienischen Faschisten übernimmt, insbesondere auch deren Führerkult. Anders als das italienische Vorbild zeichnet sich die Ideologie der NSDAP zudem durch einen fanatischen Antisemitismus aus.


Machtergreifung

Als nationalkonservative Kreise im Januar 1933 die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler einfädeln, sind sie noch in dem Glauben, den Emporkömmling kontrollieren zu können. Doch Hitler gelingt es, innerhalb von nur vier Monaten sämtliche demokratische Grundrechte auszuhebeln. Die Kommunistische Partei wird verboten; die bürgerlichen Parteien stimmen einem Ermächtigungsgesetz zu, das die Gewaltenteilung faktisch aufhebt. Als die SPD, als einzige noch im Parlament vertretene Oppositionspartei, gegen die Ermächtigung stimmt, wird auch sie verboten; die freien Gewerkschaften werden aufgelöst, die bürgerlichen Parteien kommen diesem Schicksal durch Selbstauflösung zuvor. Als Hitler nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg 1934 dessen Amt und damit auch die Kontrolle über die Streitkräfte übernimmt, sind NSDAP und Staat ein und dasselbe.


Wie im Faschismus und Kommunismus soll sich auch im Nationalsozialismus ein „neuer Mensch“ der Gemeinschaft vollständig unterwerfen. Andersdenkende werden rücksichtslos terrorisiert. Oppositionelle verschwinden in Gefängnissen und Konzentrationslagern; Juden werden durch zunehmende Repressalien die materiellen Lebensgrundlagen entzogen. Wenn dieses Vorgehen von der schweigenden Mehrheit toleriert wird, dann nicht zuletzt deshalb, weil die neuen Machthaber bedeutende Erfolge vorweisen können: Die Folgen der Weltwirtschaftskrise werden mithilfe eines keynesianischen Investitionsprogramms rasch überwunden; die Aufrüstung der Nationalsozialisten setzt sich über die Versailler Verträge hinweg; 1936 wird das entmilitarisierte Rheinland besetzt; im März 1938 erfolgt der Anschluss Österreichs; sechs Monate später – mit Zustimmung Frankreichs und Großbritanniens – die Angliederung des Sudetenlands.


Historisches Foto der Münchner Konferenz. Von links nach rechts: Chamberlain, Daladier, Hitler, Mussolini
Münchner Konferenz: Großbritannien und Frankreich versuchen mit Appeasement den drohenden Konflikt abzuwenden. Links neben Hitler die englischen und französischen Regierungschefs Chamberlain und Daladier; rechts Mussolini.

Ende 1938 steht Hitler daher auch bei vielen Deutschen im hohem Ansehen, die den Nationalsozialismus zunächst ablehnten. Erst, als im März 1939 die Wehrmacht auch den Rest der Tschechei besetzt, wird vielen Menschen im In- und Ausland bewusst, dass Hitler Pläne verfolgt, die über die Revision von Versailles und die Eingliederung deutschsprachiger Minderheiten hinausgehen.


Der Zweite Weltkrieg: die größte Katastrophe der Menschheit

Am 1. September 1939 überfällt Deutschland Polen. Es ist der erste Schritt auf dem Weg zu Hitlers großem Ziel, der überlegenen „arischen Rasse“ Lebensraum im Osten zu sichern. Nach Vorstellung der nationalsozialistischen Führer ist Deutschland zu klein, um seine Bevölkerung dauerhaft ernähren zu können. Zwei Tage später erklären Großbritannien und Frankreich Deutschland den Krieg. Nach Polen fallen Dänemark und Norwegen im Handstreich– ihre Besetzung dient allein dem Zweck, die Versorgung der deutschen Rüstungsindustrie mit schwedischem Erz zu sichern. Im Frühjahr 1940 feiert das Regime seinen größten Triumph, als die Wehrmacht in wenigen Wochen Frankreich und die als Aufmarschgebiet dienenden Benelux-Staaten überrennt. Anders als im Ersten Weltkrieg dominieren diesmal mit Panzern und Flugzeugen hochmobile Angriffswaffen das taktische Geschehen auf den Schlachtfeldern.


Deutschland hat mit der Sowjetunion wenige Tage vor Kriegsausbruch einen Nichtangriffspakt unterzeichnet; als letzter Gegner verbleibt somit nur noch Großbritannien. Der Versuch, die Lufthoheit über die Briten zu erringen, um eine Invasion der Insel vorzubereiten, führt zur ersten deutschen Niederlage. Dessen ungeachtet stellen sich im Juni und September 1940 Italien und Japan an die Seite des Aggressors, zwei Mächte, deren imperialistische Großmachtambitionen auf den Balkan, Afrika und Südostasien gerichtet sind.


Am 22.Juni 1941 beginnt der Angriff auf die Sowjetunion; ihre Eroberung ist das eigentliche deutsche Kriegsziel - hier sind die endlosen Weiten, die das deutsche Volk besiedeln soll. Der Feldzug, von Anfang an als Vernichtungskrieg gegen die „bolschewistisch-jüdische Weltverschwörung“ geplant, konfrontiert zwei totalitäre Staaten, deren Ideologien sich vor allem in ihrer jeweiligen Betrachtungsweise historischer Determinismen unterscheiden: Für die Sowjets ist die Geschichte der Kampf zwischen gesellschaftlichen Klassen; für die Nationalsozialisten ein naturgesetzliches Ringen zwischen Rassen. In diesem Kampf der Ideologien schätzt das Oberkommando der Wehrmacht die Sowjetunion im Vergleich zu Frankreich als den vergleichsweise leichteren Gegner ein. Die Führer des deutschen Militärs haben als junge Offiziere im Ersten Weltkrieg die überraschende Schwäche der russischen Armee erlebt; zudem wissen sie, dass die meisten erfahrenen sowjetischen Offiziere den stalinistischen Säuberungen der 1930er Jahre zum Opfer gefallen sind. Der verlustreiche, schlecht geführte Angriff der UdSSR auf das kleine Finnland Ende 1939 scheint diese Annahmen zu belegen.


Historisches schwarzweiß Foto
Deutsche Soldaten beim Anlegen eines Friedhofs in der Sowjetunion

Doch die Einschätzung erweist sich als zu optimistisch. Der geplante Blitzkrieg scheitert, als die UdSSR im Dezember mit Hilfe frischer und für den Winter gut ausgerüsteter sibirischer Truppen den deutschen Vormarsch kurz vor Moskau stoppen kann. Richard Sorge, ein Agent an der deutschen Botschaft in Tokio hat die Sowjets über den Beschluss des japanischen Kronrats informiert, statt Sibirien, Südostasien anzugreifen. Hintergrund des japanischen Strategiewechsels ist ein von den USA und Großbritannien im Juli 1941 verhängtes Embargo, infolgedessen das Inselreich rund 90% seiner Ölimporte verliert.


Als Japan im Dezember 1941 deshalb statt der Sowjetunion die amerikanische Pazifikflotte attackiert, ist der Ausgang des Krieges bereits besiegelt. Wie im letzten Konflikt haben die Schnellen ihre Chance verspielt; erneut entscheidet nun das ökonomische Kräfteverhältnis. Während Deutschland und seine Verbündeten weiterhin weniger als 20% an der Welt-Industrieproduktion von 1938 repräsentieren, können die USA, die Sowjetunion und Großbritannien gemeinsam rund 55% in die Waagschale werfen.[vi] Auch dieser Krieg wird noch jahrelang weitergehen, doch am Ende sind Stahl, Treibstoff und Bruttoregistertonnen wichtigere Argumente als der feste Glaube an eine überlegene Ideologie.


Historisches Foto: Churchill, Roosevelt und Stalin in der ersten Reihe sitzend
Auf der Konferenz von Jalta beschließen die Siegermächte bereits Monate vor Kriegsende eine neue Weltordnung

Hinter den zurückweichenden Fronten ermorden die deutschen Besatzer planmäßig Millionen Juden, Sinti, Roma und Regimegegner. Im September 1943 kapituliert Italien, im Mai 1945 Deutschland und im August desselben Jahres schließlich Japan, nachdem zwei amerikanische Atombomben wenige Tage zuvor die Großstädte Hiroshima und Nagasaki ausradiert haben. Der Griff der drei „verspäteten Nationen“ nach der Macht ist fehlgeschlagen. Der schrecklichste Krieg der Menschheitsgeschichte hat zwischen 70 und 80 Millionen Tote gefordert, fast zwei Drittel davon sind Zivilisten.

 

 

Wer mehr wissen will:

Kennedy, Paul (2000): „Aufstieg und Fall der großen Mächte“, Fischer.

Ulrich, Volker (2025): „Deutschland 1923 – Das Jahr am Abgrund“, C.H. Beck.

Gentile, Emilio (2015): „Der „neue Mensch“ des Faschismus. Reflexionen über ein totalitäres Experiment“ in: „Der Faschismus in Europa“ Hrsg. von Thomas Schlemmer und Hans Woller, De Gruyeter Oldenburg.


Bildnachweise:

Deutscher Soldatenfriedhof in der Sowjetunion


Anmerkungen:

[i] Vgl. Kennedy (1996) S. 390.

[ii] Vgl. Kennedy (1996) S. 411.

[iii] Unmittelbar nach dem Krieg fielen zudem weltweit weitere geschätzte 17 bis 50 Millionen Menschen der Spanischen Grippe zum Opfer.

[iv] Dahinter stand auf beiden Seiten die Befürchtung, dass sich durch das Frauenwahlrecht die politischen Mehrheiten zu Ungunsten des eigenen Lagers verschieben könnten.

[v] Vgl. Gentile (2015) S.103.

[vi] Vgl. Kennedy (1996) S.496.

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